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Gärten und Erziehung

Köstliche Früchte tragende Bäume dienten im 17. bis 19. Jahrhundert als weit verbreitetes Sinnbild für eine gelungene Erziehung: die Erziehung der Kinder wurde mit der Aufzucht von jungen Obstbäumen in einer Baumschule und damit die Tätigkeit des Lehrers mit der des Baumgärtners verglichen. Auch August Hermann Francke nutzte die zeitgenössische Metapher des Pflanzgartens, aus dem gut erzogene, fromme, Frucht bringende junge Menschen hervorgehen sollten, in einer Schrift zur Projektierung seiner Bildungseinrichtungen.

Der Mensch ist wie ein Baum

Der Inspektor des Königlichen Pädagogiums Hieronymus Freyer (1675–1747) verfasste für die Schüler seiner Schule ein Sittenbüchlein, dem im Frontispiz eine symbolträchtige Abbildung fruchttragender Bäume und ein nachfolgendes Sinngedicht vorangestellt sind. Dessen Anfang lautet:

»Der Mensch ist wie ein Baum:

Und wenn sich nun an seinen grünen Zweigen

Die schönen Früchte wahrer Tugend zeigen/

So findet er in allen Gärten Raum.«

Freyer, Hieronymus: Nützliche und nöthige Handleitung Zu Wohlanständigen Sitten […] Zum Gebrauch des Paedagogii Regii zu Glaucha an Halle abgefaßet. Halle: Waysenhaus, 1706. Halle, Franckesche Stiftungen: BFSt: 169 H 12

Gartenarbeit bei Niemeyer

Der Urenkel August Hermann Franckes, August Hermann Niemeyer (1754–1828), leitete nicht nur sehr erfolgreich die Franckeschen Stiftungen und das Königliche Pädagogium, er betätigte sich auch als ein vielgelesener pädagogischer Schriftsteller. Sein Werk »Grundsätze der Erziehung und des Unterrichts« erschien in drei Teilen und neun Ausgaben zwischen 1796 und 1838. Darin empfiehlt er, entsprechend dem Zeitgeist, die Gartenarbeit für Schüler, die er als wertvoll für die Gesundheit, die Persönlichkeitserziehung und Bildung ansah.

Die bereits Mitte des 17. Jahrhunderts von den Schulreformern Jan Amos Comenius (1592–1670) zur Erholung und Andreas Reyher (1601–1673) zur Veranschaulichung des Unterrichts empfohlene Anlage von Schulgärten setzte August Hermann Francke erstmals in Deutschland in die Praxis um.

Niemeyer, August Hermann: Grundsätze der Erziehung und des Unterrichts für Eltern, Hauslehrer und Schulmänner. 5., verb. Ausg. Theil 3. Halle: Waisenhaus, 1806. Halle, Franckesche Stiftungen: BFSt: S/FS.2:672:3

Der erste Schulgarten Deutschlands am Königlichen Pädagogium

An August Hermann Franckes Eliteschule, dem Königlichen Pädagogium, fand im Rahmen des damals hochmodernen Realienunterrichts in den Erholungsstunden Botanik-Unterricht statt. Zur Veranschaulichung dieses Unterrichts schuf man 1698 einen Schulgarten nach universitären Vorbildern, der »Hortus Medicus« bzw. »Botanischer Garten« genannte wurde. Dort lernten die Schüler die zeitgenössischen Heilpflanzen kennen und legten Herbarien an.

Die Zeichnung zeigt den tiefliegenden Botanischen Garten mit acht quadratischen Beeten, den über Treppen erreichbaren, höher gelegenen Ballonplatz sowie die oberhalb gelegene Gartenfläche. Auf der dem Pädagogium abgewandten Seite erkennt man eine Baumreihe

Situationsplan der Gartenflächen des Königlichen Pädagogiums mit dem Botanischen Garten. Um 1750. Halle, Franckesche Stiftungen: AFSt/A 35/03/02

Das Gewächshaus des königlichen Pädagogiums

Diese Planungsakte umfasst Bauskizzen und Kostenvoranschläge für das Gewächshaus im Botanischen Garten des Pädagogiums, welches 1767 errichtet wurde. Die Kosten für den Bau desselben spendete der Engländer John Thornton (gest. 1790), der die Franckeschen Anstalten 1766 besuchte und seinen Sohn von 1767 bis 1770 am Pädagogium unterrichten ließ

Anschlag von dem Gewächs-Hause des Paedagogii. 1765. Halle, Franckesche Stiftungen: AFSt/W XV/I/33

Hauptrechnungen des königlichen Pädagogiums

Im ersten Rechnungsbuch des Pädagogiums findet sich der älteste Beleg für den Hortus Medicus des Pädagogiums. Am 7. April 1698 ist der Gärtnerlohn für zwei Tage notiert. Die Arbeiten im Garten begannen demnach am 6. April 1698, dem Tag, an dem August Hermann Francke das erste Grundstück für die Franckeschen Stiftungen, den Gasthof »Zum Goldenen Adler« mit dazugehörigem Garten, kaufte.

Hauptrechnungen des Königlichen Pädagogiums Halle. 1695–1701. Halle, Franckesche Stiftungen: AFSt/W Rep. 2 VIa/245/1

Blick in den Botanischen Garten des Königlichen Pädagogiums

Ab 1718 bis zur Auflösung der Schule im Jahr 1870 befand sich der Hortus Medicus bzw. Botanische Garten des Pädagogiums direkt südlich des 1713 errichteten Gebäudes für das Pädagogium.

Blick in den Botanischen Garten des Königlichen Pädagogiums. Aus: Bilderbogen mit Detailansichten der Franckeschen Stiftungen. 1842. Halle, Franckesche Stiftungen: AFSt/B Sc 0073

Das Herbarium des Christoph Friedrich Dam

Das Herbarium des einstigen Botanik-Lehrers am Pädagogium Christoph Friedrich Dam, für das er von 1729 bis 1732 Pflanzen sammelte, ist im Gleimhaus in Halberstadt erhalten geblieben und erlaubt anhand originaler Pflanzen einen Blick in diesen Schulgarten. In der Ausstellung sind nur Herbarblätter von Pflanzen zu sehen, die Johann Christian Senckenberg (1707–1772) bei seinem Besuch im Mai 1730 für den Garten des Pädagogiums notierte. Eine vollständige Artenliste des Gartens, die 1.139 verschiedene Pflanzenarten umfasste, veröffentlichte Christian Friedrich Schrader (1739–1816) im Jahr 1772.

1. Johann Christian Senckenberg: Tagebuchaufzeichnungen zur Botanik vom 31. Mai 1730. Frankfurt am Main, Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg, Archivzentrum: UBA Ffm Na31, 174

Persischer Flieder

2. Herbarblatt Persischer Flieder (Syringa x persica L.). Aus: Dam, Christoph Friedrich: Herbarium Vivum: in tres Tomos divisum, collectum Halæ Saxonum in Pædagogio Regio Glauchensi. Bd. 1. 1729. Halberstadt, Gleimhaus: A 261

Türkische Melisse

Herbarblatt Türkische Melisse (Dracocephalum moldavica L.). Aus: Dam, Christoph Friedrich: Herbarium Vivum: in tres Tomos divisum, collectum Halæ Saxonum in Pædagogio Regio Glauchensi. Bd. 1. 1729. Halberstadt, Gleimhaus: A 261

Stundenblume

Herbarblatt Stundenblume (Hibiscus trionum L.). Aus: Dam, Christoph Friedrich: Herbarium Vivum: in tres Tomos divisum, collectum Halæ Saxonum in Pædagogio Regio Glauchensi. Bd. 2. 1730. Halberstadt, Gleimhaus: A 262

Botanisch gut bestückt – die Lehrerbibliothek des Königlichen Pädagogiums

Die einstige Lehrerbibliothek des Pädagogiums verfügte über wichtige zeitgenössische botanische Bücher, wobei die Werke des Schweden Carl von Linné (1707–1778) besonders zahlreich vertreten waren. Dieser hatte im 18. Jahrhundert die Botanik mit der Einführung der binären Nomenklatur revolutioniert. Außerdem enthielt sie bedeutende illustrierte Werke mit hochwertigen Pflanzenabbildungen wie die »Botanica in originali« von Johann Hieronymus Kniphof (1704–1763) und das »Botanische Bilderbuch für die Jugend und Freunde der Pflanzenkunde« von Friedrich Dreves (1772–1816) und Friedrich Gottlob Hayne (1763–1832).

Mehrere Lehrer des Königlichen Pädagogiums verfassten selbst Lehrbücher, die in der Regel im Halleschen Waisenhaus gedruckt wurden. Der für die Ausstrahlung des Schulgartens am Pädagogium bedeutendste Lehrer war Johann Julius Hecker (1707–1768), der hier von 1729 bis 1735 lehrte und u. a. »einige Nebenstunden auf die Botanic« verwendete. Er verfasste dieses Lehrbuch für den Botanik-Unterricht am Pädagogium; später richtete er den ersten Schulgarten in Berlin für die von ihm nach Franckes Vorbild gegründete Ökonomisch-mathematische Realschule ein. Das botanische Lehrbuch informiert hauptsächlich über die Heilwirkungen der Kräuter und deren Verwendung in der Medizin. Damit spiegelt es die damaligen Lehrinhalte des Botanik-Unterrichts am Pädagogium wieder.

 Hecker, Johann Julius: Einleitung in die Botanic […].Halle: Waisenhaus, 1734. Halle, Franckesche Stiftungen: BFSt: 130 F 7

 

Kleiner Odermennig

Dieses wertvolle handkolorierte botanische Werk aus der Lehrerbibliothek des Königlichen Pädagogiums mit insgesamt 1.200 Pflanzenabbildungen wurde im Naturselbstdruck- verfahren hergestellt. Da die zarten Pflanzen nur wenige Druckvorgänge erlaubten, war die Auflage sehr niedrig und es gab erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Exemplaren der »Botanica in originali«. Angeregt hatte diese Ausgabe der Erfurter Professor Johann Hieronymus Kniphof (1704–1763); bereits ab der zweiten Centurie fungierte Friedrich Wilhelm von Leysser (1731–1815) als wissenschaftlicher Herausgeber.

Kleiner Odermennig (Agrimonia eupatoria L.) In: Kniphof, Johann Hieronymus: Botanica in originali seu herbarium vivum […]. [2. Aufl.]. Centur. 1-12. Halle: Trampe, 1757-1764. Halle, Franckesche Stiftungen: BFSt: 38 A 12

Saat-Lein, Flachs

Die Botaniker Friedrich Dreves (1772–1816) und Friedrich Gottlob Hayne (1763–1832) schufen dieses botanische Bilderbuch nach dem Vorbild von Friedrich Justin Bertuchs (1747–1822) »Bilderbuch für Kinder«. Hochwertige naturgetreue Pflanzenabbildungen sollten die Lust zur Beschäftigung mit der Botanik wecken. Die knapp gehaltenen deutschen Texte mit den nötigsten und nützlichen Informationen über die einzelnen Pflanzenarten finden sich in Kurzform zusätzlich in englischer und französischer Sprache.

Saat-Lein, Flachs (Linum usitatissimum L.) In: Botanisches Bilderbuch für die Jugend und Freunde der Pflanzenkunde. Hg. v. Friedrich Dreves u. Friedrich Gottlob Hayne. Bd. 3. Getreue Abbildungen und Zergliederungen Deutscher Gewächse. Leipzig: Voss und Compagnie, 1798. Halle, Franckesche Stiftungen: BFSt: 38 A 13b

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